Kleine Tasche aus Elisenhof
         
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Rekonstruktion einer Tasche aus Elisenhof, gefertigt von Stephan
       
Aus der Wikingerzeit sind bis heute erhaltene Taschen leider Mangelware. Sie sind selbst in dem ansonsten reichen und vielfältigen Fundmaterial von Haithabu eher Mangelware. Die Taschen, die uns aus Westskandinavien bekannt sind, müssen eher als Beutel oder beutelähnlich beschrieben werden.

Große verzierte Gürteltaschen aus Leder, wie sie in der Reenactment-Szene gerne getragen werden, fehlen völlig. In Ostskandinavien gibt es dagegen lyraförmige Taschen, die mit einer durchgehenden Randschiene versehen wurden. Hinzu kommen Taschen, die offenbar an einem vom Gürtel herunterhängendem Lederriemen befestigt waren und offensichtlich von magyarischen Säbeltaschen beeinflusst sind. Diese Taschen haben entweder einen massiven, verzierten Metallbeschlag auf dem Deckel oder mehrere kleine Zierbeschläge und / oder einen randbegleitenden. Außerdem gibt es auch langrechteckige Formen, die allerdings nie mit einer massiven Platte auf dem Deckel auftreten, sondern nur mit kleineren Zierbeschlägen.
Völlig unabhängig vom Typ dieser beiden ostskandinavischen Taschenformen darf man sich bei diesen keine Illusionen über deren Größe machen. Diese sind etwa handgroß und ähneln vom Füllvolumen einem heutigen Urlaubsbrustbeutel. - Da passt gerade einmal ein Geldbeutelchen zusammen mit Feuerschläger und ähnlichen Gerätschaften rein.
Taschen dieser Art fehlen in Westskandinavien dagegen völlig im Fundmaterial bzw. sind so selten, dass man davon ausgehen kann, dass diese von Fremden mitgebracht wurden.

So praktisch die großen Gürteltaschen auch sein mögen, sie erscheinen offenbar erst im Hochmittelalter in Nordeuropa. Für die Wikingerzeit müssen wir uns die Tracht wohl eher wie bereits in der Römischen Kaiserzeit vorstellen, in der man auch sämtliche Gebrauchsgegenstände am Gürtel trug. Dies passierte dann wohl in kleinen Beutelchen und Täschchen oder ganz ohne Behälter.

Wenn man mehr mitnehmen wollte, war man - wie heute auch - auf Tragetaschen angewiesen, die unabhängig vom Leibriemen getragen wurden. Einen Hinweis auf derartige Taschen bieten die möglichen Taschenbügel aus Haithabu.

Neben diversen anderen Formen, treten unter anderem auch in Birka sogenannte "brieftaschenartige Taschen" auf. Diese wurden, wie eine Brieftasche, entweder zusammengefaltet oder -gerollt. Sie wurden in den Birkagräbern entweder im Brust- oder Taillenbereich gefunden. Es ist also wahrscheinlich, dass man diese Taschen unter der Kleidung um den Hals, oder über der Oberbekleidung um den Gürtel geschlungen trug.
In Taschen dieser Art wurden häufig Münzen, aber auch Waaggewichte und andere kleinere Gegenstände gefunden. Teilweise waren diese Brieftaschen auch selbst wertvoll mit goldbelegten Lederstreifen durchwirkt.

Eindeutige Nachweise derartiger Brieftaschen fehlen bislang aus Haithabu. Aber ein Täschchen, das etwa in dieselbe Richtung geht, wurde bei Grabungen auf der Wurt Elisenhof , Kreis Nordfriesland, gefunden.

Stephan ging aus Langeweile mal daran, dieses Täschchen 1:1 zu rekonstruieren. Allerdings setzte er sich den Anspruch, nicht ganz so schief zu werden, außerdem entschied er sich für einen Knebelknoten am Ende des Verschlussriemens. Weil er das allerdings ohne feste Unterlage vor dem guten alten Fernseher tat, wurde das Ergebnis trotz aller Mühe ähnlich schief. Trotzdem war er begeistert, zufällig nachvollzogen zu haben, dass das Original vermutlich auch ohne feste Nähunterlage entstanden sein muss (oder der Hersteller der Tasche damals einfach unbegabt war...).
   
       

Kleine Tasche aus Elisenhof, Kr. Nordfriesland
(Grenander-Nyberg 1985, Tafel 76; mit freundlicher Genehmigung des Archäologischen Landesmuseums Schleswig-Holstein)
   
Bilden http://www.historiska.se/data/?bild=306237 som visar objektet http://www.historiska.se/data/?foremal=452619
Ny Björn Gustafsson SHMM
Beschläge einer lyraförmigen Tasche aus Grab 949 in Birka. (Gleichzeitig Link zum Datenblatt) © Statens Historiska Museum, Stockholm.
     
Bilden http://www.historiska.se/data/?bild=306243 som visar objektet http://www.historiska.se/data/?foremal=459583
Ny Björn Gustafsson SHMM
 Lyraförmige Taschenbeschläge (im 19. Jh. nachträglich mit Pelztasche moniert) aus Grab 958 in Birka. (Gleichzeitig Link zum Datenblatt) © Statens Historiska Museum, Stockholm
          
Bilden http://www.historiska.se/data/?bild=32492 som visar objektet http://www.historiska.se/data/?foremal=107042
Björn Wickman SHM
Magyarisch beeinflusste Taschen- und Gürtelbeschläge mit Lederresten aus einem Grab in Rösta, Jämtland. (Gleichzeitig Link zum Datenblatt) © Statens Historiska Museum, Stockholm.
     
Bilden http://www.historiska.se/data/?bild=337403 som visar objektet http://www.historiska.se/data/?foremal=567133
Matthias Toplak SHMM
Magyarisch beeinflusster bronzener Taschendeckel mit Weißmetallauflage aus Grab 819 in Birka.
(Gleichzeitig Link zum Datenblatt) © Statens Historiska Museum, Stockholm
   
     
Literaturnachweis:
A.-S. Gräslund, Beutel und Taschen. In: G. Arwidson (Hrg.), Birka II:1. Systematische Analysen der Gräberfunde (Motala 1984), 141-154.
G. Grenander-Nyberg, Die Lederfunde aus der frühgeschichtlichen Wurt Elisenhof. Studien zur Küstenarchäologie Schleswig-Holsteins, Serie A. Elisenhof. Die Ergebnisse der Ausgrabung der frühgeschichtlichen Marschensiedlung beim Elisenhof in Eiderstedt 1957/58 und 1961/84, Band 5 (Frankfurt a. M./Bern/New York 1985).
W. Groenman - van Waateringe, Die Lederfunde von Haithabu. Berichte über die Ausgrabungen in Haithabu, Bd. 21 (Neumünster 1984).
E. Sörling, Penningväskor från vikingatiden. Fornvännen 34, 1939, 45-57 (mit deutscher Zusammenfassung).