Klappwaage
         
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Rekonstruktion einer wikingerzeitlichen Klappwaage mit Dose nach Vorbildern des 10./11. Jahrhunderts,
gefertigt von Sven Mündel
       
Im Skandinavien des ausgehenden 9. Jahrhunderts scheiterten die ersten Versuche eine Münzwirtschaft dauerhaft zu installieren. Zwar waren zu dieser Zeit Münzen im Umlauf, doch war ihre Prägung von kaum einer Bedeutung für den finanziellen Wert. Ebenso wie das "Hacksilber" wurden die Münzen vor allem nach ihrem Gewicht bemessen. Ein Indiz für ein derartiges Finanzverhalten sind zahlreiche Funde von zerschnittenen Silbermünzen in Skandinavien.

Für diese Wirtschaftsform waren Waagen unerlässlich. Im 9. Jahrhundert wurden bereits Waagen mit starren Armen genutzt. Etwa um 88O traten dann die ersten zusammenklappbaren Waagen im skandinavischen Raum auf. Die Wikinger übernahmen dieses Funktionsprinzip aus dem persischen Raum und begannen diese auch zu Hause zu fertigen, wie Funde von Waaghalbfabrikaten des 10. Jahrhunderts aus Haithabu belegen. Die in Skandinavien hergestellten Waagen bildeten dabei eigene Gestaltungsformen aus, die sich wiederum in chronologisch greifbare Typen einteilen lassen.
   
   
       
Wikingerzeitliche Waagendose nach Vorbildern aus Oldenburg und Sigulda/Lettland, gefertigt von Sven Mündel
     
Die hier gezeigte Klappwaage ist nach den Maßen einer Klappwaage aus Haithabu gefertigt worden. Es handelt sich dabei um eine Waage des Typs 5 nach Heiko Steuer. Dieser Typ datiert allgemein in das 10. und 11. Jahrhundert. Allerdings unterziehen sich Klappwaagen einem gewissen Wandel, dem auch dieser Typ folgt. Denn ab dem 11. Jahrhundert werden die Waagen im Allgemeinen sehr viel größer und bekommen Ketten. Die Waagen des 10. Jahrhunderts haben - mit Ausnahme eines wohl norwegisch-englischen Typs - hingegen nur dünne Fäden zur Aufhängung der Waagschaalen. Der Typ 5 ist dabei die erste rein skandinavische Waagform, der in ihrer späteren Variante Ketten aufweist.

Entsprechend datieren die Ketten das hier gezeigte Instrument in das 11. Jahrhundert. Dabei ist die Waage selbst allerdings noch so filigran wie die Exemplare des 10. Jahrhunderts. Außerdem haben die Schalen von Waagen mit Ketten zumeist nur drei Bohrungen an denen sie aufgehängt wurden. Die mit Fäden gehaltenen Schalen weisen dagegen vier Bohrungen auf. Die hier gezeigten Waagschalen sind in den Dimensionen einem komplett erhaltenen Vorbild mit vier Bohrungen aus Haithabu nachempfunden. Wir haben uns lediglich für andere, ebenfalls belegte Ziermuster entschieden.

Unsere Waage haben wir bewusst als "modernisierten" Umbau einer älteren Waage ohne Ketten der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts gestaltet, die im 11. Jahrhundert dem Zeitgeschmack durch den Anbau von Ketten angepasst wurde. (Ganz einfach weil sowas wirklich vorkam und wir eine Waage mit Ketten haben wollten...) In dem hier gezeigten Zustand wäre die Faltwaage folglich in das frühe 11. Jahrhundert zu datieren.

Die Dose mit Schnappverschluss ist unter anderem nach Vorlagen aus Sigulda/Lettland, Öja/Gotland, Rute/Gotland und Oldenburg rekonstruiert. Heute ist das Futteral aus Sigulda im Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte zu sehen. Eine Datierung dieses Stücks fehlt. Der Typ tritt aber seit der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts auf.
   
       

Vier Klappwaagen des Typs 3 nach Steuer aus dem Hafen von Haithabu
(Steuer 1997, S. 242 Abb. 172a; mit freundlicher Genehmigung des Archäologischen Landesmuseums Schleswig-Holstein)
   
Bilden http://www.historiska.se/data/?bild=337455 som visar objektet http://www.historiska.se/data/?foremal=114650
Christer Åhlin SHMM
Klappwaage mit Ketten aus Småland, Schweden (Fundort unbekannt).
(Gleichzeitig Link zum Datenblatt) © Statens Historiska Museum, Stockholm
     
Bilden http://www.historiska.se/data/?bild=239868 som visar objektet http://www.historiska.se/data/?foremal=371770
Sara Kusmin SHMM
Klappwaage, Dose mit Scharnierdeckel und Schnappverschluss, sowie zwei Kugelzonengewichten aus dem Gräberfeld von Uglehaug auf Gotland.
(Gleichzeitig Link zum Datenblatt) © Statens Historiska Museum, Stockholm
     
Bilden http://www.historiska.se/data/?bild=17503 som visar objektet http://www.historiska.se/data/?foremal=120553
Statens historiska museer SHM
Klappwaage (Kupferlegierung) aus Eisendose mit Stülpdeckel (Waagschalen noch in der Dose), gefunden in Stora Ire auf Gotland.
(Gleichzeitig Link zum Datenblatt) © Statens Historiska Museum, Stockholm
   
Bilden http://www.historiska.se/data/?bild=28973 som visar objektet http://www.historiska.se/data/?foremal=106854
Yliali Asp SHM
Ovale Stülpdose für eine Klappwaage, aus Sigtuna, Uppland.
(Gleichzeitig Link zum Datenblatt) © Statens Historiska Museum, Stockholm
       
         
Literaturnachweis:
S. Meinhardt, Waagen- und Gewichtsfunde aus dem Stader Hafen. In: A. Schäfer, F. Andraschko, B. Meller (Hrg.), Schätze im Schlick. Maritime Archäologie des 1000-jährigen Hansehafens Stade (Stade 2008), 67-78.
H. SteuerWaagen und Gewichte aus dem mittelalterlichen Schleswig - Funde des 11. bis 13. Jahrhunderts aus Europa als Quellen zur Handels- und Währungsgeschichte (Köln/Bonn 1997).
H. Steuer, Gewichtsgeldwirtschaften im frühgeschichtlichen Europa – Feinwaagen und Gewichte als Quellen zur Währungsgeschichte. In: K. Düwel, H. Jankuhn, H. Siems, D. Tiempe (Hrg.), Untersuchungen zu Handel und Verkehr der vor- und frühgeschichtlichen Zeit in Mittel- und Nordeuropa, Teil IV. Der Handel der Karolinger- und Wikingerzeit (Göttingen 1987), 405-527.
H. Steuer, Gekerbte Gewichte der späten Wikingerzeit. Fornvännen 82 (1987), 66-74.
H. Steuer, Geldgeschäfte und Hoheitsrechte im Vergleich zwischen Ostseeländern und islamischer Welt. Zeitschrift für Archäologie 12, 1978, 255-260.
H. Steuer, Gewichte aus Haithabu. In: Berichte über die Ausgrabungen in Haithabu 6 (Neumünster 1973), 9-22.
L. Thunmark-Nylén, Die Wikingerzeit Gotlands. Band II - Typentafeln (Stockholm 1998).