Löffelspatel
         
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Nachbildung eines Löffelspatels aus Haithabu (Material: Eibenholz), gefertigt von Matthias Barkmann
       
Zum Alltag gehörte natürlich auch das Essen. Gabeln waren unbekannt und die wichtigsten Werkzeuge für die Nahrungsaufnahme waren Messer, die vermutlich häufig nicht nur  fürs Essen benutzt wurden, und eben Löffel. Die erhaltenen Löffel aus Haithabu bestehen ausnahmslos aus Holz. Allerdings sind auch flach gestaltete Exemplare aus dem Holz der europäischen Eibe (Taxus baccata) bekannt, die als Löffelspatel bezeichnet werden. Ob diese allerdings wirklich zur Essensaufnahme dienten, ist  kaum sicher zu beweisen.

Für diejenigen, die Löffelspatel aus Eibenholz als Besteckbestandteil ausprobieren möchten, sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Giftstoffe der Eibe (Taxane) auch in ihrem Holz enthalten sind. Zwar variiert deren Gehalt in allen Teilen der Pflanzen und zu unterschiedlichen Jahreszeiten, doch können Taxane sowohl innere Organe und das Nervensystem dauerhaft schädigen bzw. in höherer Konzentration zum TOD führen!!! Nachmachen ist also NICHT ratsam, da die Gifte insbesondere über die Verdauungsorgane zur Wirkung kommen. (Also leckt nicht unbedingt Eure Eibenbögen ab...)

Sollten Löffelspatel trotz dieser unerfreulichen Nebenwirkungen doch als Löffelersatz in der Wikingerzeit Verwendung gefunden haben, war deren Nutzung nur sehr eingeschränkt möglich, denn Suppe oder andere flüssige Nahrungsmittel lassen sich mit ihnen nicht aufnehmen. Bleiben also nur noch breiige oder feste Speisen, die in Frage kämen.
Die Theorie der Nutzung von Löffelspateln als Besteckbestandteil hat zumindest in einem Aspekt etwas für sich: Löffel aus den meisten heimischen (Weich-) Holzarten fasern unter Feuchtigkeitseinwirkung oberlfächlich leicht auf und hinterlassen früher oder später ein eher flauschiges Gefühl auf der Zunge, was natürlich auch Auswirkungen auf das Geschmacksempfinden hat. Eibe als feines Hartholz hingegen, behält seine glatte Oberfläche auch unter Feuchtigkeitseinwirkung länger und das Geschmackserlebnis wäre wie bei modernen Metallöffeln nahezu ungetrübt, wenn die möglichen gesundheitlichen Nebenwirkungen nicht wären...
   
   
   
Löffelspatel aus Haithabu, (Material: Eibenholz)
(Westphal 2006, Tafel 27.7; mit freundlicher Genehmigung des Archäologischen Landesmuseums Schleswig-Holstein)
     
Trotzd der unangenehmen Nebenwirkungen wurden Löffelspatel in Haithabu offenbar vor allem aus Eibe geschnitzt. Die wenigen eindeutigen Löffel aus der Schleistadt - die auch zu Speise- oder Zubereitungszwecken verwendbar wären - sind in keinem Fall aus Eiben- und zumeist aus Weichhölzern hergestellt worden. Löffelspatel aus Holz liegen bislang (publiziert) nur aus Haithabu vor. Aus Geweih gibt es allerdings beispielsweise auch in Birka. Diese Auffälligkeit kann aber ohne weiteres erhaltungsbedingt sein.
Diese beiden auf den ersten Blick unterschiedlichen Materialien weisen jedoch zwei Eigenschaften auf, die sie miteinander teilen: Zum einen weisen sie eine ausreichende Härte bzw. Dichte auf, um ihre Oberflächen langlebig polieren zu können und zugleich der Grund für eine gewisse Feuchtigkeitsbeständigkeit ist. Zum anderen sind die Materialien durch ihre Farbgebung (und eben ihre technischen Eigenschaften)  im Aussehen den meisten einfachen Holzlöffeln optisch deutlich überlegen. Hinzu kommen im Falle der Haithabufunde vereinzelt auch aufwendige Verzierungen. Zusammen genommen eher Indizien für einen entweder gehobenen oder nicht alltäglichen Gebrauch.

Denkbar wären Verwendungen im zeremoniellen oder - dem damit auch eng verwandten - repräsentativen Bereich. Eine genaue Funktionsansprache ist leider nicht mehr möglich. Aber die gemeinsamen technischen Merkmale lassen einige Eingrenzungen der Verwendung zu. So ist allen Löffelspateln ihr spatenartiges oder halbrundes, jedoch in beiden Fällen deutlich vom Stiel abgesetztes Blatt gemein. Diese, im Verhältnis zum Griffteil verbreitete Fläche, hat vermutlich zur Aufnahme und/oder zum Abteilen einer nicht allzu festen oder zähflüssigen, halbwegs homogenen Masse gedient. Flüssigkeiten kommen aufgrund nicht vorhandener Aufnahmemöglichkeiten kaum in Frage (ausgenommen lediglich zum Umrühren).
Um was für Substanzen es sich gehandelt haben könnte, bleibt leider reine Spekulation. Aber Breie, Honig, Butter, Schmalz, Quark, Pulver oder Salben wären denkbare Stoffe, die zumindest von der Konsistenz mit diesen Gerätschaften zu bewältigen wären. Möglicherweise ist die Höherwertigkeit vieler dieser Funde gegenüber anderen Materialgruppen bereits ein Zeichen dafür, dass mit ihnen vor allem teurere Substanzen behandelt wurden. Rein spekulativ kämen beispielsweise teure Salben oder auch Gewürze in Pulver- oder feinkristalliner Form (z.B. Salz) in Frage.

Doch auch die Möglichkeit als lediglich zu besonderen Anlässen genutztes Besteck, bleibt dennoch bestehen. Die Giftigkeit des Eibenholzes würde durch eine seltenere Nutzung möglicherweise in ihren Auswirkungen gemindert. Gegen diese These des "Festtagsbestecks" würde allerdings die ungewöhnliche Form dieser Gerätschaften sprechen. Denn es bliebe zu erwarten, dass man für das "gute Besteck" lediglich ein höherwertiges Material heranzieht. Da die Ausgestaltung des Löffels an seine Funktion als Schöpfgerät gebunden ist, macht eine Formänderung keinen Sinn, es sei denn die Funktion der Löffelspatel ist eine völlig andere, als die von Löffeln. Sollte der Materialwechsel zudem rein repräsentativen Ursprungs sein, drängt sich auch die Frage auf weshalb es in Haithabu keine Löffel aus Eibenholz gibt, andere optisch ansprechende Holzarten wie beispielsweise das Holz von Rosengewächsen aber vereinzelt Verwendung gefunden haben.
   
   
Bilden http://www.historiska.se/data/?bild=328417 som visar objektet http://www.historiska.se/data/?foremal=269160
Sara Kusmin SHMM
Löffelspatel aus Geweih, Schwarze Erde von Birka. (Gleichzeitig Link zum Datenblatt) © Statens Historiska Museum, Stockholm.
   
Ein weiteres Rätsel gibt die Fundlage der Löffelspatel innerhalb Haithabus auf: Sie wurden ausschließlich in den Hafengrabungen gefunden. Aus den Siedlungsschichten sind sie unbekannt, während normale Löffel sowohl innerhalb der Siedlung wie auch im Hafen gefunden wurden.
Eine Erklärung dafür könnte sich möglicherweise in der Siedlungsstruktur der Handelsstadt am Haddebyer Noor finden: Für Haithabu sind keine freien Flächen innerhalb der Siedlung nachweisbar, die als Marktplatz gedient haben könnten. Die während der Siedlungsdauer immer weiter wachsenden Landungsbrücken stellen die einzigen möglicherweise als Marktplatz dienenden Freiflächen in Haithabu dar. Das im Hafen gefundene breite Spektrum von Funden, die mit dem Warenaustausch in direkter Verbindung gestanden haben (unterschiedlichste Importgüter, Waagen, Gewichte und Münzen) stützt die Interpretation der Anlegeanlagen als Ort des Handelsgeschehens zusätzlich.
Die Fundlage der Löffelspatel im "Marktareal" Haithabus könnte deshalb zwei mögliche Thesen zulassen: Zum einen könnten Löffelspatel reine Handelsware sein, die in Haithabu selbst nicht genutzt wurde. Oder zum anderen: Löffelspatel haben etwas mit dem Handel selbst zu tun. Beispielsweise zum Portionieren oder Verabreichen zerteilbarer, weicher Waren.

Festzuhalten bleibt, dass Löffelspatel durch ihre häufig gehobenere Ausgestaltung, Rohmaterial und Fundlage eine ebenso nett anzusehende, wie rätselhafte Gruppe von Gebrauchsgegenständen der Wikingerzeit darstellen.
       
     
Bilden http://www.historiska.se/data/?bild=328397 som visar objektet http://www.historiska.se/data/?foremal=269161
Sara Kusmin SHMM
Löffelspatel aus Geweih, Schwarze Erde von Birka. (Gleichzeitig Link zum Datenblatt) © Statens Historiska Museum, Stockholm.
       
         
Literaturnachweis:
Volker Hilberg, Hedeby in Wulfstan's days: a Danish emporium of the Viking Age between East and West. In: Anton Englert u. Athena Tradakas (Hrg.), Wulfstan's Voyage. The Baltic Sea region in the early Viking Age as seen from shipboard (Roskilde 2009), 79-113.
Sven Kalmring, Der Hafen von Haithabu. Die Ausgrabungen in Haithabu, Band 14 (Neumünster 2010).
Joachim Schultze, Die Siedlungsgrabungen. I. Methoden und Möglichkeiten der Auswertung. Die Ausgrabungen in Haithabu, Band 13 (Neumünster 2008).
Florian  Westphal, Die Holzfunde von Haithabu. Die Ausgrabungen in Haithabu, Band 11 (Neumünster 2006).