Tierkopffibeln
         
Schmuck    
     
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Rekonstruktion der Tierkopffibeln des Typs 3 nach Thunmark-Nylén aus dem Grab 218A des Gräberfeldes in Ire, Kirchspiel Hellvi  auf Gotland (Inv.-Nr. GF C 9322:165-176), gefertigt von Ken Ravn Hedegaard.
   
In Grab 218A auf dem Gräberfeld von Ire auf Gotland wurde ein junges Mädchen mit sehr reichen Schmuckbeigaben bestattet. Die Schmuckstücke, die der Toten mit ins Grab gegeben wurden, waren allerdings größtenteils deutlich älter als die Verstorbene selbst. So stammen die meisten Fundstücke etwa aus der Zeit um die erste nachchristliche Jahrtausendwende, der jüngste Fund dagegen aus der Zeit zwischen 1050 und etwa 1200.
Zu den Beigaben mit der ältesten Umlaufzeit zählen die Vorlagen für die hier gezeigten Tierkopffibeln, die aus der zweiten Hälfte des 9. bis Anfang des 10. Jahrhunderts stammen. Das Fundspektrum dieses Grabes deckt somit nahezu die gesamte Wikingerzeit Gotlands ab.

Die Lange Nutzung der beiden Originalfibeln sieht man ihnen auch heute noch an, denn diese waren so stark abgenutzt, dass das ursprüngliche Ornament auf den höchsten Stellen der Fibeln sehr stark verschliffen und teilweise kaum noch zu erkennen ist. Außerdem weisen beide Fibeln unterschiedliche Nadelapparate auf. - Die eine, wie hier gezeigt, eine Nadel mit Kappenkopf aus derselben Kupferlegierung wie die Fibel selbst; und die andere eine Eisennadel. - Zudem trägt die Fibel mit der Eisennadel an der flachen Schnauzenpartie ein zusätzliches geometrisches Ziermuster, das bei der anderen Fibel fehlt.  

Beide Fibeln zeigen auf den Breitseiten eine liegende Figur, denen jeweils eine Schlange aus dem Bauch ragt, die über ein horizontales Linienbündel geführt sind und sich mit dem Kopf der breiteren Schmalseite zuwenden. Die beiden Bildfelder der Breitseiten werden durch ein entlang der Mittelachse verlaufendes Band mit Querschraffur getrennt. Zwischen den beiden geperlten Eckständern der breiteren Stirnseiten beider Fibeln, in den so genannten Nackenfeldern, befinden sich plastisch ausgearbeitete Zierfelder mit stehenden Greiftieren. Die Fibeln haben eine erhaltene Länge von 5,0 cm bzw. 5,1 cm.

Aufgrund der Merkmale ist unklar, ob die Fibeln als identisches Paar gefertigt wurden und erst durch Reparaturen und Abnutzung ein im Detail unterschiedliches Aussehen erhielten. Oder ob zwei einander ähnelnde Fibeln desselben Typs, nachträglich miteinander kombiniert worden sind. - Die Kombination von Tierkopffibeln auch unterschiedlicher Typen miteinander zu einem neuen Paar ist dabei für Gotland keine Seltenheit, wenn auch nicht unbedingt die Regel. Bei der ursprünglichen Fertigung wurden jedoch Tierkopffibeln immer als Ensemble hergestellt. Erst bei Beschädigung oder Verlust, wurden Einzelstücke aus einem anderen Paar hinzugefügt.

Das hier gezeigte Fibelpaar ist eine Idealrekonstruktion auf Grundlage der Fibel mit Bronzenadel aus dem erwähnten Grab 218A in Ire, bei der die Ornamente anhand des Originalfundes und Vergleiche mit besser erhaltenen Exemplaren desselben Typs wiederhergestellt wurden.
   
   
       

Rekonstruktion der Tierkopffibeln des Typs 3 nach Thunmark-Nylén aus dem Grab 218A des Gräberfeldes in Ire, Kirchspiel Hellvi  auf Gotland (Inv.-Nr. GF C 9322:165-176), gefertigt von Ken Ravn Hedegaard.
     
Tierkopffibeln sind auf Gotland, mit etwa 1750 Exemplaren und neun verschiedenen Haupttypen, eine der typischen Fundformen der ausgehenden Vendel- und gesamten Wikingerzeit und finden sich nur selten außerhalb der Insel. Ihren Namen erhielten sie bereits im 19. Jahrhundert aufgrund der Ähnlichkeit mit Tierköpfen, wobei Schwein, Pferd, Kuh, Bär oder ähnliche Tiere als Ursprungsform in Frage kommen könnten. Da die Vorlage jedoch nicht mehr zuweisbar ist, etablierte sich die allgemeinere Ansprache als Tierkopffibel.

Tierkopffibeln wurden wie ihre Entsprechungen auf dem skandinavischen Festland, die Schalenfibeln, immer paarig getragen. Die Ornamentformen können dabei je nach Typ sehr stark variieren. Es gibt dabei übersichtliche Greiftierverzierungen, die sich bis zu undurchsichtigen Greiftiergewimmeln steigern können, wie auch florale oder nicht-figürliche Kerbschnitt-, Band-, Grübchen- oder Punktmuster. Zudem können die Fibeln vergoldet, silberplatiert oder mit Weißmetall überzogen gewesen sein. Wobei diese nachträglichen Oberflächenbehandlungen bei einigen Typen entweder überhaupt nicht oder nicht alle Formen auftreten. 

Einzelne Typen (4, 5a und 6b nach Thunmark-Nylén) können auch doppelschalig aufgebaut sein. Sprich eine durchbrochen gearbeitete Haut wird auf den eigentlichen Fibelkörper aufgesetzt. Besonders hier treten häufig Behandlungen der Oberflächen mit anderen Metallen auf, um den Farbkontrast zwischen oberer und unterer Schale zu verstärken.
Auch Verzierungen auf den Rückseiten der Fibeln können vorkommen.

Die Unterseiten der Tierkopffibeln sind zumeist flach ausgearbeitet. Bei frühen Typen ist dabei der Rand relativ schmal und wurde mitgegossen (siehe die hier gezeigte Fibel). Bei späteren Typen wurde ein breites Bodenblech mit einer zentralen, meist trapezoiden Öffnung, an den Fibelkörper angenietet. Diese angesetzten Bleche können dabei zusätzlich geometrische Verzierungen, die entweder gepunzt oder graviert sind, aufweisen.
   
   
Bilden http://www.historiska.se/data/?bild=28866 som visar objektet http://www.historiska.se/data/?foremal=107991
Yliali Asp SHM
Tierkopffibeln aus Grab 370 in Ire, Gotland (Typ identisch mit Grab 218A aus Ire, Gotland) .
(Gleichzeitig Link zum Datenblatt) © Statens Historiska Museum, Stockholm
   
Bilden http://www.historiska.se/data/?bild=304292 som visar objektet http://www.historiska.se/data/?foremal=450596
Elisabet Pettersson SHMM
Tierkopffibel aus Stenkumla, Gotland (Typ identisch mit Grab 218A aus Ire, Gotland) .
(Gleichzeitig Link zum Datenblatt) © Statens Historiska Museum, Stockholm
   
       
Literaturnachweis:
A. Carlsson, Djurhuvudformiga spännen och gotländsk vikingatid. Text och katalog. Stockholm Studies in Archaeology 5 (Stockholm 1983).
L. Thunmark-Nylén, Die Wikingerzeit Gotlands. Band I - Abbildungen der Grabfunde (Stockholm 1995).
L. Thunmark-Nylén, Die Wikingerzeit Gotlands. Band III:1 - Text (Stockholm 2006).
L. Thunmark-Nylén, Die Wikingerzeit Gotlands. Band IV:1 - Katalog (Stockholm 2000).