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Der Schmied
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Bevor man ein Schwert in Auftrag gibt stellt sich natürlich erstmal die Frage: Welches?
Die Frage lässt sich eigentlich nur auf drei Wegen beantworten:
   
1. eine Rekonstruktion exakt nach Fund
2. eine Neuschöpfung nach Fundvorlagen und Typologien
3. eine völlige Neuschöpfung
   
Wir haben uns für den zweiten Weg entschieden. Denn ein ordentliches Schwert, das zumindest in seinen technischen und äußeren Merkmalen den Originalen gleicht, bekommt man nicht mal eben für 100 bis 200 Euro (Egal wer das behauptet, hat entweder einfach keine Ahnung oder kann es selbst schmieden.) Entweder kauft man ein teures, fertiges Schwert oder man lässt sich eins machen. Wer sich für letzteres entscheidet, muss dann auch eine Vorlage finden, die einem a) gefällt und b) zur dargestellten Zeit passt (wenn man Wert darauf legt).
Außerdem wird man ordentlich recherchieren müssen. Dabei stellt man fest, dass es viele schöne Schwerter gibt, die aber häufig immer eine oder zwei kleine Details haben, die einem nicht sooo ganz gefallen. Da wird dann schnell die Stimme im Kopf laut, die da sagt: "Wenn Du schon Geld in die Hand nimmst, soll's auch richtig passen!"

Uns ging es ganz genau so. Deswegen war die einzige Lösung, auf Grundlage von Funden eine historisch denkbare Vorlage zu schaffen. Mit anderen Worten: Dieses Schwert wurde so nicht gefunden, hätte aber damals wirklich so hergestellt worden sein können. (Was in der Wikingerzeit mehr oder weniger nicht anders war. Denn brauchbare Schwerter waren damals auch kein Massenprodukt.) Heraus kam dann ein Schwert das nach der Petersen Typologie einer S- bzw. Z-Variante, bzw. dem Typ 19 nach Gorman (s. Literaturliste) entspricht. Was wir uns bei der Vorlage im Einzelnen gedacht haben, möchten wir an dieser Stelle vorstellen.
   
Allgemeines
Wenn Schwert, dann was mit Schweißverbundstählen. - Das ist ja klar. Musterschweißverbundstahl (umgangssprachlich gerne auch als "Damaststahl" bezeichnet, und am besten wohl im Englischen mit "pattern-welded" umschrieben) machen allerdings viele gute Schmiede. Deswegen haben es auch Viele, die es sich leisten können. Und wenn man schon einen Haufen Geld in die Hand nimmt, darf es auch gerne etwas sein, das nur wenige haben. (Also wie ein Ferrari mit vielen Extras.) Deshalb bleibt eigentlich nur noch ein Schwert mit Inschrift. Den meisten frühmittelalterlichen Schwertern mit eingeschweißten Inschriften ist eines gemein: Die Klingen bestehen nicht mehr aus in Mustern gearbeiteten Schweißverbundstählen. Trotzdem sind diese Klingen immer noch aus Lagenstählen hergestellt. - Sei es mit Absicht oder weil die verhütteten Stähle durch Ausschmieden der Luppen automatisch Lagenstrukturen ergeben. -

Somit war der technische Aufbau schon einmal bestimmt. Auch wenn nach damaligen Methoden verhüttetes Eisen als Rohmaterial aus Kostengründen ausfällt, sollten die Oberflächen doch zumindest die oberflächlichen Strukturen der Originale aufweisen. Also wurde von Schorsch vorgeschlagen: Klinge aus ca. 14.000 Schichten Lagenstahl und die Gefäßteile aus altem Puddeleisen. Damit war die "originale" Optik schon einmal gesichert und auch klar, dass es sich um eine schmiedegerechte Rekonstruktion und keine Replik handeln würde.

Die nächste Frage war: Das Schwert muss an den Übergang des 10./11. Jahrhunderts und zu einer gehobenen Haithabu- / Westdänemarkdarstellung passen ohne gleich in das Elitenschema zu fallen. Hier kommt die Fantasie ins Spiel: Denn die meisten Schwertfunde des 9. und 10. Jahrhunderts sind sehr aufwendig tauschiert oder mit Edelmetall plattiert. Um entsprechend den Status der Waffe etwas herunterzusetzen und den Oberflächen der Gefäßteile aus Puddeleisen die Möglichkeit zu bieten, Patina anzusetzen, fiel die Entscheidung lediglich die Knaufkrone mit tordiertem Messingdraht einzufassen. Die Oberflächen sollten aber ansonsten unangetastet bleiben.
Zudem sollte der gewählte Schwerttyp ein "Auslaufmodell" darstellen, der impliziert, dass die Waffe gebraucht gekauft wurde. Entsprechend fiel die Wahl auf das River Witham Schwert, dass diese Anforderungen erfüllt, mit der Einschränkung, dass es mit Silber, Kupfer und Messing plattierte Gefäßteile hat. Ein weiterer Grund für diese Wahl ist sein hervorragender Erhaltungszustand, der eine zeichnerische Rekonstruktion der Einzelteile ohne viele Spekulationen zulässt. Außerdem sieht es einfach gut aus.
Ein weiteres (inhaltliches) Manko ist allerdings, dass es einen sehr angelsächsischen Typ repräsentiert, der kaum nach Dänemark passt. Entsprechend wurden die Gefäßteile teilweise ausgetauscht und verändert, um einen "skandinavischeren" Typ zu erhalten. Somit wurde auch klar: Es wird keine reine Rekonstruktion, sondern eine auf historische Grundlagen zurückgreifende Neuschöpfung.
   
Das Gefäß
Da die Klinge in ihrer Form weitgehend unangetastet bleiben sollte und diese ohnehin keine regional eingrenzbaren Charakteristika aufweist, musste die Herstellung des skandinavischen Bezugs über die Gefäßteile erfolgen. Trotzdem ist die Draufsicht der Schwertes sehr ansprechend, und verkörpert zugleich das, was man sich unter dem Begriff "Wikingerschwert" vorstellt. Entsprechend bedurfte es eindeutig skandinavischer Vorlagen, die mit dem Witham Schwert etwa zeitgleich sind und zudem seiner Form ähneln.
Typisch für den angelsächsischen Schwerttyp ist die weit ausgezogene, gebogene Parierstange, der zweiteilige Knauf mit ebenfalls gebogener Stange und relativ einfach gestalteter dreigliedriger Krone. In der Draufsicht verlaufen die Längsseiten der Parierstange, ebenso wie die Knaufstange, relativ parallel mit gerundeten Enden. Sämtliche Vorderflächen der Gefäßstangen und die Basis der Knaufkrone sind flach ausgestaltet.
Dem angelsächsischen Vorbild sehr nahe stehen einige skandinavische Schwerter, die in der Typologie von Petersen nicht enthalten sind. Diese werden von Gorman als Typ 19 bezeichnet. Es handelt sich bei diesem um eine Mischung von Merkmalen von Petersens Typen S und Z mit denen der angelsächsischen Schwerter. In der Draufsicht sind die Typ- 19-Schwerter denen aus England sehr ähnlich. Der größte Unterschied zu den angelsächsischen Waffen ist, dass die Parierstangen in der Regel nicht so weit seitlich über die Klinge herausragen und die Knaufkronen zumeist fünfgliedrig und deutlich profilierter ausgearbeitet sind. Zudem haben diese Schwerter in der Draufsicht zumeist bootsförmige Gefäßteile, die teilweise sehr spitz zulaufen können und an den Längsseiten schwach bis stark nach außen gewölbt sind. Ein extremer Vertreter dieser spitzen Form ist eine Parierstange, die in den Siedlungsgrabungen von Viborg Søndersø gefunden wurde. Diese diente zusammen mit einem Typ Z Schwert aus Bengtsarvet in Schweden, dessen Gefäßteile in Draufsicht in der Datenbank des Statens Historiska Museet zu finden sind (s.u.), als Vorlagen für die Linienführung der Gefäßtstangen unseres Schwertes in Draufsicht. Die Vorderansicht orientiert sich dagegen bei Knauf- und Parierstange weiterhin am Withamfund, wodurch unser Schwert zwar noch in der äußersten Bandbreite des Typs 19 liegt, allerdings wohl eher als Variante anzusprechen wäre.
Ein weiterer Aspekt, in dem uns der Fund aus Viborg beeinflusste, war das Fehlen jeglicher Verzierungen auf dem insgesamt gut erhaltenen Stück. Ein Hinweis darauf, dass es von diesem Schwerttyp durchaus auch unverzierte Vertreter dieses Typs in Dänemark bzw. Westskandinavien gegeben hat.

Letztlich musste die Knaufkrone noch angepasst werden, denn diese passt nicht zu den skandinavischen Schwertern und ist offen gesagt beim Withamschwert der größte ästhetische Schwachpunkt. Deswegen fiel es uns nicht schwer, einen stärker profilierten, fünfgliedrigen zu suchen. Die Wahl fiel schließlich auf den des Typ Z-Schwertes aus Bengtsarvet, da dieser zum einen optisch ansprechend gestaltet ist und zum anderen zu dem angestrebten Schwerttyp passt. Außerdem bietet dieser den Vorteil, dass er aus mehreren Richtungen dokumentiert in der Datenbank des Statens Historiska Museet vorliegt.
     
Die Klinge
Das Vorbild dieser Klinge entspricht der Länge und den Proportionen des Schwertes aus dem River Witham in England, welches im British Museum aufbewahrt wird. Die Klinge entspricht mit ca. 6 cm Breite an der Basis der besonders schweren Variante des Klingentyps 3 nach Geibig. Ihre Breitenmaße ließen sich anhand von Publikationen und der Online-Datenbank des British Museum ermitteln. Allerdings sind die Stärkenmaße bislang weitgehend unpubliziert. (Es liegt bislang nur die maximale Stärke vor.) Das ist natürlich für eine Rekonstruktion denkbar wenig. Auf Anfrage beim British Museum, ob diese dort evtl. vorliegen würden, bekamen wir das wirklich freundliche Angebot des Museumskurators, das Schwert dort selbst im Original aufnehmen zu dürfen, weil es bislang keine Vermessungsdaten gäbe. Obwohl die Versuchung wirklich groß war, hätte dies doch leider deutlich den finanziellen Rahmen des Projekts gesprengt.
Entsprechend standen wir nun vor der Aufgabe, ähnlich gut erhaltene Schwerter des 10. und 11. Jahrhunderts auszumachen, die aussagekräftige Vermessungen zulassen. Das archäologische Landesmuseum Schleswig-Holstein verfügt zwar, nicht zuletzt wegen der Funde aus Haithabu, über eine beeindruckende Sammlung wikingerzeitlicher Schwerter, doch ist leider keines bei weitem so gut erhalten wie der Withamfund. Die "nächstgelegenen" Funde sind zwei Schwerter des späten 10. bis 11. Jahrhunderts aus Stade. Es handelt sich dabei wie bei dem englischen Schwert um zwei Flussfunde. Beide sind bei Ausbaggerungen der Schwinge am Ende des 19. Jahrhunderts gefunden worden und so gut erhalten, dass man ohne weiteres noch mit ihnen kämpfen könnte. Freundlicherweise durften wir diese Schwerter im Schwedenspeichermuseum der Stadt Stade untersuchen und vermessen.
In beiden Fällen handelt es sich um Inschriftenschwerter mit Paranusknauf und verhältnismäßig schmaler, langer Klinge vom Typ 5 nach Geibig. Eine der Klingen trägt die Inschrift "NIZOMEFET" und ist vermutlich während der Auffindung etwa nach einem Drittel der Klingenlänge gebrochen und der untere Klingenteil in Richtung Ort fehlt. Aber gerade diese gebrochen Klinge ließ einen interessanten Einblick in deren geschichteten Aufbau zu.
Das andere Stader Schwert trägt die Inschrift "BENNOMEFECI" und ließ aufgrund der vollständig erhaltenen Klinge Rückschlüsse über Stärken- und Breitenabnahme der Klinge und Hohlkehle, sowie deren Balancepunkt zu. Die Messergebnisse wurden ausgewertet, mit anderen publizierten Ergebnissen kombiniert und in Rücksprache mit mehreren Fachleuten an unseren Klingentyp angepasst.

Blieb noch die Frage der Klingeninschriften. Diese wurden vom Withamschwert übernommen. Auf einer Seite der Klinge lautet sie "+ LEUTLRIT" auf der gegenüberliegenden Seite ist ein zusammengerolltes "S" eingelassen. Der Text wurde auch deshalb übernommen, da dieser nicht dem gängigen "VLFBERHT"- oder "INGELRI"-Klischee entspricht.
Detail- und Röntgenaufnahmen der Einlagen belegen, dass die Klingeneinlagen aus mehrstreifigem Lagenstahl hergestellt sind. Dies deckt sich mit dem Befund der Schwerter aus Stade, wobei deren Lagen deutlich feiner sind, so dass die Frage offen bleiben muss, ob es sich bei den beiden letzteren um natürliches Verhalten des ausgeschmiedeten Luppeneisens handelt oder einen beabsichtigten Effekt.
Da es sich bei den Einlagen des Witham-Schwerts aufgrund der sehr groben und gleichmäßigen Struktur definitiv um einen beabsichtigten Farbeffekt in der Klinge handelt, haben wir uns für eine Ausführung der Einlagen in ebenfalls sehr geringzahligem Lagenstahl entschieden.

Die Form der Hilze orientiert sich an mehreren Belegen, unter anderem einem Fund aus Geweih aus Rösta in Schweden und einem Schwertfund mit erhaltener Holzhilze aus dem Ostrów Lednicki (Lednica See) in Polen. Unser Griff wird in Holz umgesetzt und entsprechend einiger frühmittelalterlicher Funde aus Deutschland mit einer Lederwicklung versehen (s. Geibig).
     
   
Bilden http://www.historiska.se/data/?bild=263392 som visar objektet http://www.historiska.se/data/?foremal=263123
SHM SHMM
Typ 19-Schwert (S/Z Variante) aus Södertalje, Schweden
(Gleichzeitig Link zum Datenblatt) © Statens Historiska Museum, Stockholm.
     
http://www.historiska.se/data/?bild=331366
Matthias Toplak SHMM
Knaufdetail Typ Z Schwert aus Bengtsarvet, Schweden
(Gleichzeitig Link zum Datenblatt) © Statens Historiska Museum, Stockholm.
       
http://www.historiska.se/data/?bild=331370
Matthias Toplak SHMM
Gefäßteile desselben Typ Z Schwerts aus Bengtsarvet, Schweden
(Gleichzeitig Link zum Datenblatt) © Statens Historiska Museum, Stockholm.
     
Bilden http://www.historiska.se/data/?bild=28562 som visar objektet http://www.historiska.se/data/?foremal=107067
Yliali Asp SHM
Schwert aus Rösta, Schweden mit erhaltener beinerner Hilze
(Gleichzeitig Link zum Datenblatt) © Statens Historiska Museum, Stockholm.
     
     
Link zum Datenblatt des Witham-Schwerts auf der Homepage des British Museum.