Bindungsarten wikingerzeitlicher Gewebe aus Haithabu
     
TypentafelnIm Folgenden hat sich Michaela einmal die Mühe gemacht, die für Haithabu am häufigsten nachgewiesenen Bindungsarten der Textilfunde in einer Übersicht zusammenzutragen.


   
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Schnittmuster hier, Schnittmuster da. - Man findet sie nach mehr oder minder wikingerzeitlichen Vorlagen häufig im Internet. Textilien hören aber bei der Entscheidung zwischen Wolle, Leinen, Seide und dem entsprechenden Schnitt nicht auf. Stoff beginnt ab dem Weben an zu entstehen. Durch unterschiedliche Führung der Schussfäden über und unter die Kettfäden entstehen nicht nur unterschiedliche "Muster" (meint in der Fachsprache eigentlich was anderes, deswegen hier in Gänsefüßchen) - die sogenannten Bindungsarten -, sondern die Stoffe bekommen auch unterschiedliche mechanische Eigenschaften. So bleibt es auch nicht aus, dass in der Wikingerzeit gewisse Bindungsarten für einige Bekleidungsformen bevorzugt wurden. Was nicht bedeutet, dass gewisse Arten nur für ein Kleidungsstück möglich sind, genauso wenig wie es bedeutet, dass nur weil eine Bindungsart für eine Bekleidungsart nicht nachgewiesen ist, sie für diese in der Wikingerzeit überhaupt nicht verwendet wurden.

Für solche Schlüsse sind aussagekräftige Textilfunde aus der Wikingerzeit einfach zu selten. Auch in Haithabu ist eine Vielzahl der Fragmente keinen Kleidungsstücken mehr zuweisbar, so dass die hier angegebenen Verwendungen nur auf die funktional ansprechbaren Funde bezogen sind. Außerdem geben wir hier aus Gründen der Übersichtlichkeit auch nur die häufigsten Verwendungen der jeweiligen Bindungsart wider. Gleiches gilt für die Bindungsarten. Nur weil eine Bindungsart hier nicht auftaucht, heißt es nicht zwangsläufig, dass es diese in Haithabu nicht gegeben hat. Denn wir haben hier nur die häufigsten Bindungsarten aufgeführt! Im Zweifel dann doch mal in die Publikationen von Inga Hägg zu den Textilfunden sehen oder eine kurze Email an uns schicken.

Wozu also diese Aufstellung von Bindungsarten aus Haithabu? - Ganz einfach, weil es geht! Und weil es eine Hilfestellung für all jene sein soll, die sich so nah am Original wie möglich orientieren möchten, sich aber die Publikationen von Inga Hägg nicht besorgen wollen oder können. (Außerdem ist das, was hier steht, dort sowieso nicht in dieser Form enthalten.) Trotzdem sei abschließend noch einmal darauf hingewiesen, dass diese Zusammenstellung vor allem übersichtlich sein soll. Deswegen sind die entsprechenden Beiträge zwar teilweise vereinfacht, aber keineswegs inhaltlich falsch. Zum besseren Verständnis empfiehlt es sich deshalb, vorher die Begriffserklärungen zu lesen, auch da wir uns an der teilweise nicht mehr ganz aktuellen bzw. methodisch angepassten Begriffswahl von Inga Hägg orientiert haben.

   
Begriffserklärung
   

Begriff bei Inga Hägg (Textilfunde Haithabu)

Erläuterung/heute gemeinhin bezeichnet als

 

 

Hemd

gemeinhin "Untertunika" genannt, getragen als eine Art "Unterhemd" unter allem anderen

Mantel

Rechteck"mantel", Umschlagtuch, kein Mantel in heutigem Sinne

Klappenrock, Lodenwams

eher heutigen Jacken/Kurzmänteln entsprechend

Obertunika

auch bei Frauen so genannt; gemeint ist dann das "Kleid". Eine "vorne offene Frauenobertunika" würde man gemeinhin heute als "Mantel" bezeichnen

Generell bei Männern und Frauen das sichtbare Bekleidungsstück über dem Hemd.

Rautenköper

bei Inga Hägg Oberbegriff für Spitz- karoköper (heute "Rautenköper") und Diamantköper Für Haithabu wurde Spitzkaroköper, also Rautenköper, nicht nachgewiesen. Gemeint ist für Haithabu stets der Diamantköper.

Spitzköper

bei Prof. Hägg Oberbegriff für Spitzköper (heute Querzickzackköper) und Fischgrat ("gebrochener Spitzgratköper). Inga Hägg meint meist den Fischgrat, wenn von Spitzgrat geschrieben wird (z.B. im Hafen 4 von 5 Fragmenten).

Gleichgratköper

bei Inga Hägg Oberbegriff  mehrere Köperarten 2/1, 2/2, etc.

In nachfolgendem Text soll nur der häufigste - der 2/2-Köper - Beachtung finden.

Tuchbindung

auch: Leinwandbindung oder Leinenbindung

ripsartig

Tuchbindung, die durch z.B. dickeren Schussfaden wie ein Rips aussieht (so ähnlich wie die Struktur von Cord)., aber von der Bindung her kein Rips ist.
       

Die häufigsten Bindungsarten in Haithabu -vereinfacht erklärt-

     
   

2/2-Köper (Gleichgratköper)

    
   
     
Merkmale

sichtbar sind gleich viele Kett- wie Schussfäden

schräge Linien ("Grat"); sind Kett- und Schussfäden gleicher Stärke vorhanden und haben Kett- und Schussfaden die gleiche Anzahl pro Zentimeter, ergibt sich ein Winkel von 45°

dehnbar und doch sehr fest und belastbar

4-bindig; er wird mit vier Schäften gewebt, die im Rhythmus 1-2-3-4 die Kettfäden heben

   
Häufigste Verwendung in Haithabu

- Obertunika
- Lodenwams
- Klappenrock

   
     
Leinwandbindung
   
   
     
Merkmale

der Schussfaden geht in Gegenbewegung zum vorhergehenden Schuss abwechselnd über und unter aufeinanderfolgende Kettfäden

belastbarste Bindung, aber auch wenig flexibel und dehnbar

2-bindig; er wird i.d.R. mit zwei Schäften gewebt; bei hoher Kettfadendichte aber auch mit vier Schäften, um die Reibung der Fäden zu verringern

Strukturen und Muster werden durch Variieren der Garnstärke, Zwirnung, Flottierungen, unterschiedliche Fadenspannungen, Farben usw. erreicht.

   
Häufigste Verwendung in Haithabu

- Hemd
- Trägerrock (als "ripsartige Tuchbindung") und Trägerrock-Träger (Bänder)
- Schleiergewebe (Gräber; Abdeckung/Umwicklung des Leichnams, keine "Gesichtsschleier", eher in Hemdenform)
- Seidenstoffe und "fein gefältelte" Stoffe

     
   
Diamantköper
   
    
     
Merkmale

die "Spitzen der Diamanten" sind etwas versetzt ("durchbrochener Köper"), dadurch eine höhere Stofffestigkeit als beim Rautenköper

hohe Flexibilität bei hoher Festigkeit

4-bindig wie der 2/2-Köper, das Muster verändert sich durch die Reihenfolge der Schafthebungen, so dass die schrägen Grate wieder zusammenlaufen und eine Art "Diamant" entsteht

   
Häufigste Verwendung in Haithabu

- Hose
- Obertunika
- Wadenwickel
(in den Gräbern auch: Trägerrock)

   
   
Fischgrat
    
   
   
Merkmale

gute Flexibilität bei hoher Festigkeit

4-bindig wie der 2/2-Köper und Diamantköper, das Muster verändert sich zu diesen beiden Bindungen durch die Reihenfolge der Schafthebungen

die Spitzen sind "durchbrochen", zeigen also versetzt aufeinander; höhere Festigkeit als beim Spitzgratköper

   

Häufigste Verwendung in Haithabu

- Hose
- Wadenwickel
- Klappenrock (1x)

   
     
Literaturnachweis:
Inga Hägg, Textil und Tracht in Haithabu I. Die Ausgrabungen in Haithabu (in Vorbereitung).
Inga Hägg, Die Textilfunde aus der Siedlung und aus den Gräbern von Haithabu. Berichte über die Ausgrabungen in Haithabu 29 (Neumünster 1991).
Inga Hägg, Die Textilfunde aus dem Hafen von Haithabu. Berichte über die Ausgrabungen in Haithabu 20 (Neumünster 1984).
Ann Sutton, Bindungen zum Handweben (Bern 1987).